„Ich sehe tote Menschen“ - Part 1


„Ich sehe tote Menschen“ - Part 1

Das Zitat haben wahrscheinlich schon viele von euch im Rahmen des Films The Six Sense gehört.

Und was soll ich sagen?

Ich sehe sie auch.

In meinem Einführungspost hab ich ja hauptsächlich mit Gedanken und Begriffen um mich geworfen und aufgezählt, mit welchen Themen ich in Berührung gekommen bin. Zumindest sehr grob zusammengefasst.

Nun möchte ich meinen ersten richtigen Post dem bewussten Beginn von allem widmen. Vorab möchte ich anmerken, dass es hier in meinem Blog einige Triggerthemen gibt und ich dir ans Herz legen möchte zu pausieren oder abzubrechen, falls es für dich zu schlimm wird.

Als ich elf Jahre alt war, ist mein Vater verstorben. Mein Papa war damals genau 60, schon um einiges älter als meine Mutter. Wir wussten, dass er gesundheitliche Probleme hatte, weswegen er häufiger in Krankenhäusern war. Herzprobleme, Diabetes und Begleiterkrankungen. Und doch kam es ganz unverhofft.

Es ist ein Tag, an den ich mich großteils sehr gut erinnern kann. Wir hatten Besuch von Freunden der Familie, saßen gemeinsam am Tisch in der Küche und aßen Pflaumenkuchen mit Sahne.

Das ist für mich ein Ritual geworden, welches ich an seinem Geburtstag und Todestag zelebriere, weil es irgendwie zu ihm passt.

Er wirkte ein wenig matt an diesen Tag, aber an sich doch normal. Am Abend war ich in meinem Zimmer und spielte mit meinen Barbiepuppen, als ich es im Flur deutlich Rumsen hörte. Er ist einfach umgefallen, kurz vorm Duschen.

Einfach so.

Mein Bruder war den Tag unterwegs gewesen und mein Neffe, der einige Jahre älter ist als ich, lebte damals bei uns. Er gab sich Mühe mich abzulenken, während die Sanitäter aktiv waren und meine Mutter das alles mit ansah.

Dann war es vorbei. Und ich stand im Anbau und konnte nicht aufhören zu weinen, obwohl ich wohl nicht wirklich begriff, was passiert war. Ich bekam eine Beruhigungstablette, während die Sanitäterin den Totenschein neben mir ausfüllte. Meine Mutter saß draußen auf den Steintreppen und rauchte, telefonierte mit ihrem Bruder, der als Bestatter arbeitete.

Irgendwann kam mein Bruder nach Hause und ich erinnere mich daran, wie er  auf unserem großen Hof stand und schrie, schluchzte, in einem hellen Anzug, wenn ich mich richtig entsinne. Es passierte alles wie in Trance.

Ich glaube so hab ich ihn auch danach nicht nochmal gesehen.

Fertig gekleidet und von weißem Satin umgeben lag er da, als ich gefragt wurde ob ich mich nochmal verabschieden wollte. Die Lippen waren dunkel und lila. Ansonsten sah er friedlich aus. Nur irgendwie so ganz anders als sonst.

Ich glaube es war der erste Moment in dem ich wirklich verstand, dass eine Seele den Körper wirklich lebendig machte.


Wochen später brachte ich abends den Müll raus. Unser Grundstück lag umgeben von Wald und hatte einen Pool. Nachdem ich den Müll weggeworfen hatte, stand ich vor dem Pool und sah nach oben zum Sternenhimmel, wo ein riesiger Vollmond strahlte. Das Mondlicht spiegelte sich auf dem Poolwasser und umschmeichelte die Tannen und Kiefern.

Mir wurde ein wenig schwummerig und als ich blinzelte, sah ich direkt vor mir, über dem Wasser schwebend, meinen Vater. Es wirkte, als wäre er von einer Blumenwiese umgeben, was seltsam war, denn dort befanden sich offensichtlich keine. Er wirkte hell und irgendwie durchlässig. Ich sah ihn an und wurde panisch. Ich verstand nicht. Wie konnte er vor mir stehen?

Ich riss mich von dem Anblick los und rannte nach drinnen. Stillschweigend setzte ich mich an den Küchentisch und meine Mutter sah mich irritiert an. Sie bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist denn mit dir los? Du bist ja kreidebleich.“, sagte sie und ich begann sofort an zu weinen. Dann erzählte ich ihr, dass ich meinen Papa gesehen hab. Sie war nervös und ich zitterte, als ich sie darum bat, mit mir nachzusehen, ob er dort war. Ich war der festen Überzeugung, dass ich sie ihn auch sehen könnte, wenn sie in den Mond sah und genau an der selben Stelle stand wie ich.

Ich konzentrierte mich, machte alles wie zuvor. Und ich sah ihn. Nur diesmal schmunzelte er und sah mich dann liebevoll an.

Er sagte: „Du brauchst keine Angst haben, ich will dir nur helfen.“ Damit verschwand er.

Aufgelöst sah ich meine Mama an und fragte sie ob sie ihn gesehen hatte. Sie verneinte. Und dann ergänzte ich, was er gesagt hatte. In dem Moment sah sie mich entgeistert an und plusterte die Wangen aufgeregt auf. Sie atmete tief durch und lächelte, während sich eine Träne löste.

„Das ist ja verrückt.“, sagte sie. „Ich hab ihn gedanklich gebeten dir zu sagen was er will. Weil du Angst hast.“

Dann umarmte sie mich.

Wir räumten das Haus um, tauschten Zimmer, nachdem meine Mama Krebs als Diagnose bekam und ihre Chemotherapie anfing. Mein Vater war im September verstorben, die Diagnose kam im November des selben Jahres.

Aus meinem alten Zimmer traute ich mich immer nicht wirklich raus, weil der Kellereingang genau daneben war und den Flur hatte ich schon immer gruselig gefunden. Ich bin nachts trotzdem so oft zu meinen Eltern ins Schlafzimmer geflüchtet, weil ich Dinge und Leute gesehen hab die dort „nicht waren“. Meine Mutter hatte wohl meiner Schwägerin oft erzählt, dass sie nicht wüsste wie sie mit meinen Wahrnehmungen umgehen sollte, weil ich dauernd weinte und Angst hatte.

Nun war mein neues Zimmer das alte Schlafzimmer meiner Eltern. Es war größer und hatte ein großes Fenster, von dem man direkt zum Wald sehen konnte. Hatte auch irgendwie was gruseliges. Rückblickend fand ich das gesamte Haus und Grundstück immer gruselig, obwohl ich es so geliebt habe.

Da fing dann meine sehr aktive Phase an, was meine medialen Fähigkeiten anging. Ich erinnere mich gut an einen Traum, der ziemlich verstörend war. Darin sah ich ein Haus, es sah älter aus von der Einrichtung als das Jahr 2004/2005. Dort saß ein Mann in seinem Büro, trug eine grün-graue Weste mit einer goldenen Taschenuhr und eine dunkelbraune Hose. Seine Haare waren braun und er hatte einen Bart. Ich glaube auch eine Brille, aber die war nicht lang in seinem Gesicht.

Er schrieb etwas und faltete das Papier zusammen zu einem Brief. Als er es zurechtlegte, holte er eine Pistole aus dem Schubfach und hielt sie sich an die Schläfe. Er drückte ab.

Und durch den Schuss wachte ich auf.

Ich riss die Augen auf und starrte in den dunkeln, ruhigen Raum. Dann sah ich einen hellgrünen Schleier, der vom Fenster aus in mein Zimmer schwebte. Und dann stand er da, der Mann, der sich erschossen hatte. Das Gesicht entstellt – weggepustet. Ein Bild was ich noch nie gesehen hatte und nun nie mehr vergessen werde.

Er stand einfach nur da. Aber er verschwand nicht. Sondern seine Präsenz wurde immer deutlicher. Nahezu hysterisch sprang ich aus dem Bett und rannte durch den Flur und die Küche zu meiner Mutter. Zitternd und weinend lag ich in ihrem Bett und vergrub mich in ihrem Arm unter der Decke. Zu groß war meine Angst, dass ich ihn wiedersehen musste.

Er kam nicht wieder.

Zumindest nicht so. Später habe ich ihn in einem anderen Kontext nochmal als Erinnerung im Kopf gehabt, da aber jünger und unversehrt.

Gerade die Sache mit dem Mann klingt ein wenig wie ein Horrorfilm und ehrlich gesagt fühlte es sich auch so an. Ich glaube das ganze ist mitunter auch der Grund, weswegen ich tatsächlich keine Horrorfilme oder so gucken kann.

Die Begegnung mit meinem Vater bezeichne ich oft als den Beginn von meinem Bewusstsein meiner Fähigkeiten. Ich weiß, dass ich als Kind oft mit meiner Oma gesprochen hab, da war ich vier oder so. Sie war die einzige von meinen Großeltern die ich kennengelernt habe. Dennoch hatten wir kein besonders enges Verhältnis. Nur ich erinnere mich daran, Freunden davon erzählt zu haben, dass sie mit mir sprach. Das war für mich völlig normal.

Das es so war wurde mir erst viele Jahre später bewusst. So wie viele andere Wahrnehmungen, die etwas anderes waren als Fantasie. Aber wie gesagt, ich habe es einfach so hingenommen und erlebt. bei meinem Vater hab ich dann verstanden, dass ich die einzige in meiner Familie war die ihn sehen konnte und auch die Sichtungen später machten das umso deutlicher.

Mein Blick auf die ganzen Zusammenhänge ist natürlich heut ein anderer, als zu der Zeit als die Dinge passiert sind. Mit der Zeit wurde all das immer ausgeprägter. Aber dazu teile ich beim nächsten Mal mehr~

Bis dahin, alles Liebe

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